Über das Graduiertenkolleg
Das IPU-KKC-Graduiertenkolleg "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung" verfolgt Forschungsprojekte an der Schnittstelle von Psychoanalyse und Kulturpsychologie und verbindet damit psychoanalytische, psychologische, kultur- und gesellschaftsanalytische Perspektiven am Beispiel der interdisziplinären Traumaforschung.
Deren Themen und Anlässe sind vielfältig. Sie reichen von der Klimakrise über Migrationsprozesse und zunehmende gesellschaftliche Polarisierungen bis zu mannigfachen Kontexten von Krieg und anderen Formen von Gewalt. Charakteristisch für die im Kolleg eingenommene Perspektive ist die Integration von subjekt-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen.
So werden in den Promotionsprojekten nicht nur Themen aus der Psychoanalyse und Kulturpsychologie bearbeitet, sondern auch Befunde aus Philosophie, Soziologie, Ethnologie, Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaften, Cultural-, Religious-, Gender- oder Postcolonial-Studies sowie der kritischen Migrations- und Rassismusforschung. Expertisen aus der Klinischen Psychologie und Psychotraumatologie ergänzen dieses Spektrum.
Die bewährte Kooperation zwischen IPU und KKC bietet einen exzellenten Rahmen für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Beide Einrichtungen übernehmen die Betreuung von je drei Promovierenden. Ein interdisziplinäres Veranstaltungsprogramm in verschiedenen Arbeitsformaten bietet die Möglichkeit zum wissenschaftlichen Austausch und zur Präsentation bzw. Diskussion eigener Forschungsergebnisse. Die Arbeit im Kolleg wird von Ines Gottschalk koordiniert.
Drei konstituierende Perspektiven für das Graduiertenkolleg
Nahezu alle Gesellschaften sind durch „historische Verletzungsverhältnisse“ geprägt, in denen sich vielfältige Folgen unterschiedlicher Formen bisweilen auch exzessiver kollektiver Gewalt beobachten lassen. Auf dem Weg intergenerationaler Übertragungen können auch traumatische Erfahrungen ein integraler Bestandteil psychischer Wirklichkeiten und sozialer Praxen bleiben, ohne dass dies den beteiligten Menschen gänzlich bewusst sein müsste. Dies gilt für die Nachkommen aller betroffenen Personen, unabhängig davon, ob sie Gewalt ausgeübt, erlitten oder ihr beigewohnt haben. In jüngerer Zeit zeichnet sich in der multi- und interdisziplinären Forschung, aber auch in einschlägigen politischen Diskursen über die Auswirkungen kollektiver Gewalt ein Konsens ab, der die große Bedeutung der öffentlichen Artikulation erlittener Verletzungen und ihrer Anerkennung durch die Gruppen der Täter und Zuschauer sowie ihrer Nachkommen hervorhebt. Die Bezeugung von Ungerechtigkeit, Gewalt und Leid sind wichtige Bestandteile ihrer politischen Aufarbeitung und psychosozialen Verarbeitung. Das Graduiertenkolleg stellt sich die Aufgabe, die besonderen Lagen und Herausforderungen in solchen gesellschaftlichen Figurationen zu erforschen und dabei psychologische und soziologische, psycho- und sozioanalytische Perspektiven ins Zentrum zu rücken, aber auch andere disziplinäre Blickwinkel – etwa ethisch-moralische, politische, mediale oder rechtliche – zu berücksichtigen.
In historischen und in soziokultureller Hinsicht bisweilen auch spezifischen Verletzungsverhältnissen zu leben und leben zu müssen hat Folgen für die Verständigung zwischen Angehörigen von gesellschaftskonstituierenden Gruppen, die eine möglichst allseits erträgliche Form der friedfertigen Koexistenz finden sollten. Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Thematik und ihres Potentials für sowohl grundlagentheoretische wie auch anwendungsorientierte Beiträge zeichnet sich seit längerem ab. Jessica Benjamins Theorie der intersubjektiven Anerkennung und so verschiedenartige Arbeiten wie jene von Paul Ricœur, Burkhard Liebsch, Dan Bar-On oder Pumla Gobodo-Madikizela stellen dafür facettenreiche Exempel dar. Die öffentliche Aussprache über die mit starken Affekten und Emotionen verbundenen Gewalterfahrungen kann heute als eine unabdingbare Voraussetzung für die Annäherung und das zerbrechlich bleibende Auskommen zwischen ehemals verfeindeten, jedenfalls in Gewaltpraktiken verstrickte Gruppen angesehen werden. Diese Voraussetzung ist allerdings schwer zu erreichen. Gerade in sozial- und kulturpsychologischer sowie psychoanalytischer Perspektive wird deutlich, auf wie viele Hürden die verständigungsorientierte Kommunikation im genannten Feld stoßen kann. Dazu gehören, neben den anhaltenden Leiden der versehrten, in ihrem Erlebnis- und Handlungspotential erheblich beeinträchtigten Subjekte, insbesondere Schuld- und Schamgefühle oder auch moralische Anklagen und Verurteilungen, die es allen Beteiligten schwermachen können, in einen produktiven Dialog zu gelangen. Auch politische Positionen und Bedingungen müssen diesbezüglich berücksichtigt werden. Bis heute sind öffentliche Eingeständnisse kollektiver Gewalt und zugefügten Leids nicht überall erwünscht. Die damit einhergehenden Aushandlungen sind konstitutiv für spätmoderne Gesellschaften. Ohne sie ist auch der im Graduiertenkolleg interessierende Dialog erheblich erschwert, mitunter unmöglich.
In konstruktiven Gesprächen, in denen die Beteiligten aufeinander zugehen und einander zu verstehen versuchen, auf Seiten der Täter und Zuschauer vielleicht sogar um Vergebung bitten, sind die Bezeugung der Vergangenheit und die Anerkennung des zugefügten und erlittenen Leids oberstes Gebot. Ohne entsprechende Bemühungen um Verständigung und irgendeine Form, wenn schon nicht der Verzeihung und Versöhnung, so doch der empathischen Annäherung an die Anderen ist ein friedliches, zugewandtes Zusammenleben zwischen den anhaltend konfliktträchtigen Gruppen langfristig kaum vorstellbar. In solchen Fällen unterlassener Verständigung ist vielmehr die unterschwellige Fortsetzung und manifeste Wiederbelebung historischer Verletzungsverhältnisse zu erwarten, einschließlich der erneuten Eskalation sozio-politischer Konflikte zwischen Gruppen jedweder Provenienz und Größenordnung.
Ohne öffentliche, nicht zuletzt ohne eine geschichtenförmige, narrative Artikulation erlittener (physischer, psychischer und symbolischer) Verletzungen sowie deren Anerkennung durch die ehemaligen Täter:innen und Zuschauer:innen und ihre Nachkommen laufen Gesellschaften und Gemeinschaften stets Gefahr, historische Verletzungsverhältnisse in transformierter Gestalt zu reproduzieren, noch Jahrzehnte und Jahrhunderte nach den initialen Geschehnissen im Rahmen einer Geschichte exzessiver kollektiver Gewalt. Diese Geschichte sollte in politischen Kulturen, die in der Bezeugung und Anerkennung von langfristig verletzten, womöglich nachhaltig beschädigten Menschen einen hohen moralischen Wert erkennen, das kommunikative und kulturelle Gedächtnis aller relevanten Gruppen prägen. Das Risiko sich performativ fortsetzender Verletzungsverhältnisse und die Gefahr erneuter Gewaltexzesse zwischen ehemals verfeindeten Gruppen kann als anhaltender und struktureller Bestandteil zahlreicher Gesellschaften des 21. Jahrhunderts gelten. Solche Risiken und Gefahren lassen sich nicht zuletzt in allen europäischen Einwanderungsgesellschaften beobachten. Sie sind ausnahmslos durch Geschichten exzessiver Gewalt und die damit verwobenen, nicht vergangenen Vergangenheiten gekennzeichnet. Auch soziale Traumata gehören zum seelischen Fundament dieser Gesellschaften, deren Praxis zutiefst von zugefügten und erlittenen Verletzungen mitbestimmt sein kann – einerlei, ob die Menschen das nun stets bemerken, bewusst bedenken und berücksichtigen oder nicht.
Für die Linderung des vielfältigen Leids unterschiedlich betroffener Subjekte spielen nicht nur die soziale Unterstützung und im Bedarfsfall die therapeutische Behandlung, sondern auch die öffentliche Artikulation, die gewissenhafte Bezeugung und intersubjektive Anerkennung der erlittenen Gewalt und speziell der posttraumatischen Belastungen eine überaus wichtige Rolle. Ohne Möglichkeiten der bestätigenden Kommunikation über die erlittenen Versehrungen und ihre Folgen wird den Opfern kollektiver Gewalt erneut und fortgesetzt Unrecht zugefügt. Dies zu vermeiden, ist eine soziale und politische Aufgabe ersten Ranges. Zu ihrer Erfüllung können auch die Wissenschaften einen Beitrag leisten. Ihre im Forschungsdialog mit den betroffenen Menschen gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die kognitiv und vor allem emotional herausfordernde Verständigung in Gesellschaften, in denen Spuren von Gewalt alltäglich sind und die Interaktionen zwischen Gruppen oder Individuen nachhaltig bestimmen können. Dies gilt unter anderem für Gesellschaften, in denen Verteilungskämpfe um materielle und psychische Resourcen zu wachsenden Spannungen und Konflikten führen; es gilt für intergenerationale Konflikte wie sich aktuell unter anderem in der Klimadebatte zeigen; für verschiedenste Formen und partiell etablierte Strukturen von Diskriminierung; so auch für postmigrantische Einwanderungsgesellschaften, in denen nicht nur kulturelle Unterschiede, sondern auch oftmals unabgeschlossene Geschichten zugefügter und erlittener Gewalt besondere Herausforderungen für wechselseitige Toleranz und eine friedliche Koexistenzdarstellen.
Vergessen, Verschweigen, Verleugnen, Verstecken, Verdrängen und verwandte Weisen des Ungeschehenmachens oder Ignorierens stellen in historischen Verletzungsverhältnissen keine annehmbare Option dar – jedenfalls dann nicht, wenn das friedfertige Zusammenleben heterogener Gemeinschaften und Gruppen angestrebt wird. Die offene Aussprache und die an Kriterien der Wahrhaftigkeit und Wahrheit orientierte Aushandlung strittiger Aspekte der Vergangenheit und Gegenwart sind notwendige Bedingungen einer Befriedung des Zusammenlebens ehemaliger Gegner oder verfeindeter Gruppen.
Die Institutionen
Aktuelles
Das Symposium widmet sich der Auseinandersetzung mit subjektiven Erfahrungen von Gewalt in kollektiven Verhältnissen, um deren vielfältige Dimensionen zu erfassen und kritisch zu reflektieren. Im Mittelpunkt stehen sowohl unterschiedliche Definitionen und Erscheinungsformen von Gewalt als auch deren weitreichende Auswirkungen – insbesondere im Hinblick auf Erfahrungen, Erinnerungen und deren intergenerationale Weitergabe.
Ein besonderer Fokus liegt darauf, wie Gewalt in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten artikuliert, anerkannt und verarbeitet wird. Dabei wird ein Augenmerk auf Rassismus, Antisemitismus, Transfeindlichkeit sowie geschlechtliche (und sexuelle) Aspekte von Gewalt gelegt – denn all diese Formen haben sowohl eine individuelle wie auch kollektive und somit gesellschaftliche Ebene, die es zu betrachten gilt. Divergenzen und Kontinuitäten finden Beachtung ebenso wie explizite und implizite Formen und Wirkweisen von Gewalt.
Diese Perspektiven und weitere werden im Rahmen des Symposiums Platz finden. Es werden Ansätze aus den Bereichen der Psychoanalyse, Soziologie und Kulturwissenschaft interdisziplinär miteinander verwoben und somit Raum für Austausch geschaffen, welcher ein Verständnis für die komplexen Verflechtungen zwischen subjektiven Erfahrungen, gesellschaftlichen Deutungsmustern und Prozessen der Anerkennung aus unterschiedlichen Blickwinkeln fördern soll.
Wir haben das Ziel, innerhalb dieses Symposiums Fragen zu klären und genauso neue Fragen aufzuwerfen, gemeinsam nachzudenken und zu verstehen. Wir wollen dafür einen Raum schaffen, in dem das Denken und das Fühlen sich nicht ausschließen, in dem Platz ist für eigene Affekte und für das Ringen um die Fähigkeit zum Denken, die angesichts überwältigender Gewalt stets verloren zu gehen droht. Wir freuen uns auf Sie und Euch als Gäst:innen und bitten um eine vorherige Anmeldung auf der Veranstaltungsseite der IPU.
Organisiert von: Anna Schmidtke (anna.schmidtke@ipu-berlin.de), Paul Schreiber (paul.schreiber@ipu-berlin.de) und Doreen Zeymer-von Metnitz (doreen.zeymer@ipu-berlin.de).
Qualitative Forschung verspricht viel: eine tiefgehende Auseinandersetzung mit psychosozialen Wirklichkeiten und Dynamiken, die Eröffnung differenzierter Perspektiven auf komplexe Phänomene, die Anerkennung der „lived experience“ der Forschungspartner*innen, die systematische Berücksichtigung forschender Subjektivität(en), die diskursive Repräsentation marginalisierter Gruppen, mit der Forschung einen emanzipatorischen Beitrag zu gesellschaftlichem Wandel und sozialer Gerechtigkeit zu leisten.
Wie werden wir in unserer Forschungspraxis den damit einhergehenden epistemologischen und method(olog)ische Anforderungen gerecht? Programmatische Forderungen nach einer „starken Reflexivität“ und dem stärkeren Einbezug von Emotionen und Affekten umsetzen, erweist sich als tricky. Partizipative und transdisziplinäre Ansätze bringen Zumutungen für den etablierten Forschungsdiskurs mit sich, die auf Abwehr stoßen. Die Arbeit in Interpretationsgruppen wird oft als eine Möglichkeit der methodischen Kontrolle gesehen – wobei die damit einhergehenden Annahmen der Demokratisierung von Wissensproduktion und der kollaborativen Generierung eines multiperspektivischen und so „besseren“ Wissens oft unreflektiert bleiben. In politisch, emotional und normativ aufgeladenen Forschungsfeldern (nicht zuletzt rund um Trauma, Hegemonie und Gewalt) kommen zudem methodologisch und ethisch herausfordernde Vorstellungen zum Umgang mit Verletzlichkeit, Anerkennung, Erinnerung und Zeugenschaft in qualitativen Forschungssettings dazu.
In der gemeinsamen Veranstaltungsreihe von IPU und KKC setzen wir uns mit der Frage auseinander, wie mit diesen methodischen Anforderungen in der konkreten Forschungspraxis umgegangen wird, wie wir als Forschende mit ihnen ringen (und an ihnen scheitern können). Anhand paradigmatischer Projektbeispiele reflektieren wir methodologische Grundlagen sowie die damit verbundenen forschungspraktischen Gestaltungsspielräume und vielfachen Spannungsfelder. Wir möchten Sie einladen, mit uns über die Perspektiven, die sich für unsere qualitative Forschungscommunity entfalten lassen, ins Gespräch zu kommen.
Organisiert von: Dr. Ines Gottschalk (ines.gottschalk@rub.de) und Prof. Dr. Phil Langer (phil.langer@ipu-berlin.de).
Programm
Donnerstag, 24. April 2025, 16.15 – 17.45 Uhr (hybrid in Berlin)
Prof. Dr. Phil Langer (Internationale Psychoanalytische Universität Berlin): Es ist professionell, Gefühle zu haben – aber alles andere als einfach, mit Affekten und Emotionen erkenntnisproduktiv zu forschen
Vor Ort: IPU Berlin, Stromstr. 2, Hörsaal 1
Zoom: https://ipuberlin.zoom-x.de/j/67891615322
Meeting-ID: 678 9161 5322 | Kenncode: 194448
Donnerstag, 22. Mai 2025, 16.15 – 17.45 Uhr (Zoom)
Dr. des. Constanze Oth (Johann-Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main): „Die Verwirrung bleibt, die ist nicht zu lösen.“ Vom Anspruch von Interpretationsgruppen und was davon für demokratischere und bessere Wissensproduktion in der Wirklichkeit bleibt
Zoom: https://ipuberlin.zoom-x.de/j/67891615322
Meeting-ID: 678 9161 5322 | Kenncode: 194448
Dienstag, 3. Juni 2025, 16.45 – 17.45 Uhr (hybrid in Bochum)
Prof. Dr. Carol Kidron (University of Haifa, Israel): Qualitative research in the context of trauma and commemoration
Vor Ort: RUB Bochum, Universitätsstraße 150, GD E1/338
Zoom: https://ruhr-uni-bochum.zoom-x.de/j/65390739660?pwd=eLBiXVLnxNoEWkklKO4WTub1TAlOHV.1
Meeting-ID: 653 9073 9660 | Kenncode: 628723
Donnerstag, 3. Juli 2025, 16.45 – 17.15 Uhr (hybrid in Bochum)
Dr. Ines Gottschalk (Ruhr-Universität Bochum): Heilsames Erzählen und Zeugenschaft im Kontext qualitativer Forschung: Was kann qualitative Forschung im Vergleich zu therapeutischen Settings (nicht) leisten?
Vor Ort: RUB Bochum, Universitätsstraße 150, GD E1/338
Zoom: ruhr-uni-bochum.zoom-x.de/j/64201948160
Meeting-ID: 642 0194 8160 | Kenncode: 379517
Am 28. Januar 2023 um 17:00 Uhr eröffneten die Internationale Psychoanalytische Universität Berlin (IPU) und das Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie (KKC) der Ruhr-Universität Bochum ein gemeinsames Graduiertenkolleg. Finanziert wird es von der Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse und der Köhler-Stiftung. Institutionalisierte kooperative Graduiertenförderung von staatlichen und nicht-staatlichen Hochschulen ist in Deutschland eine Seltenheit.
Das wissenschaftliche Rahmenthema des Kollegs, in dem sechs junge Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler promovieren werden, lautet
Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung.
Nachdem die Veranstaltung von IPU-Präsident Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, dem Co-Direktor des KKC, Dr. Pradeep Chakkarath und dem ersten Sprecher des Kollegs, Prof. Dr. Jürgen Straub (KKC) eröffnet wurde, sprach der Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani (Universität Osnabrück) zum Thema "Zwischen Diskriminierung und Anerkennung: Potentiale und Herausforderungen in der superdiversen (Klassen-)Gesellschaft".
Anschließend diskutierte er mit den Promovierenden unter Moderation des zweiten Sprechers des Kollegs, Prof. Dr. Andreas Hamburger (IPU) im Panel. Der Abend klang mit einem Büfett aus.
Projekte
Artikulation, Aushandlung und Anerkennung kollektiver Verletzungsverhältnisse in superdiversen Migrationsgesellschaften: Theoretisch-Methodologische Grundlegung, empirische Analysen und didaktische Perspektiven
Das kumulative Habilitationsprojekt fokussiert aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in von multiplen Krisen und soziokulturellen Konflikten geprägten, superdiversen Migrationsgesellschaften. Einige der akuten sozialen Konflikte und Verwerfungen sind in fortwährenden kollektiven Verletzungsverhältnissen bzw. exzessiver, intergenerational tradierter und deswegen langfristig folgenreicher Gewalt begründet. Artikulation, Aushandlung und Anerkennung dieser Verletzungsverhältnisse stehen dabei als fruchtbare Topoi im Zentrum des Projekts. Ines Gottschalks Forschung basiert auf vier Säulen: Forschung zu Familie, Jugend, Migration und Flucht (1), Trauma, Konflikt und Gewalt (2) qualitative Sozialforschung (3) sowie der Hochschul- und Schreibdidaktik (4).
Kurzbiographie:
Dr. Ines Gottschalk studierte Sozialwissenschaft und Soziologie an der Universität Bielefeld, der Bilgi Universität Istanbul und der Ruhr-Universität Bochum. In ihrer Masterarbeit setzte sie sich unter Betreuung von Prof. Dr. Ludger Pries mit sich wandelnden Etablierten-Außenseiter-Beziehungen im Zuge der EU-2-Zuwanderung in die Dortmunder Nordstadt auseinander.
Im Anschluss promovierte Ines Gottschalk mit einem Promotionsstipendium des Cusanuswerk. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich unter Betreuung von Prof. Dr. Jürgen Straub mit Fragen der Beziehungsgestaltung und Identitätsentwicklung in Gastfamilien für unbegleitete Geflüchtete aus einer mikrosoziologischen und kulturpsychologischen Perspektive.
Von Oktober 2016 bis März 2021 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin unter anderem zusammen mit Prof. Dr. Sabrina Zajak im QPL-geförderten Projekt inSTUDIESplus an der Ruhr-Universität Bochum. Ein Schwerpunktthema waren soziale Bewegungen, präfigurative Politiken und das Engagement für Geflüchtete. Zusammen mit Sabrina Zajak entwickelte Ines Gottschalk das Konzept der öffentlichen Lehrforschung und lehrt und publiziert über Öffentliche Soziologie, Digitalisierung und Prozessbezogenes Schreiben in Formaten Forschenden Lernens. 2018 schloss sie eine Ausbildung zur Schreibberaterin/Schreibtutorin (150 UE) und 2020 das Qualifizierungsprogramm "Professionelle Lehrkompetenz für die Hochschule" (200 AE) ab.
Seit Oktober 2022 ist Ines Gottschalk Koordinatorin des IPU-KKC-Graduiertenkollegs „Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung" (Januar 2023-Dezember 2026).
Ines Gottschalk, Dr. ines.gottschalk@rub.de
Kontinuitäten und Brüche in der Artikulation, Aushandlung und Anerkennung rechtsterroristischer Gewalt in Deutschland. Eine zeithistorische Studie.
Die bislang unzureichende Historisierung des rechtsextremistischen Terrors in Deutschland begünstigte Betrachtungen, die rechtsterroristische Phänomene der Gegenwartsgesellschaft ausschließlich als isolierte Entitäten behandeln. Die Dissertation adressiert dieses Forschungsdesiderat und setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern rechtsterroristische Gewalt in Deutschland historisch aufgearbeitet, aber auch erlebt, erfahren und erinnert wurde/wird. In Bezug auf die öffentliche Artikulation, Aushandlung und Anerkennung des rechtsextremistischen Terrors in Deutschland werden potenzielle Kontinuitäten und Brüche untersucht, um einen möglichen Wandel im diskursiven Umgang mit rechtsterroristischer Gewalt sowie den damit verbundenen Traumata zu eruieren. Die Dissertation fokussiert demgemäß die (historische) Präsenz der Opfer rechtsterroristischer Gewalt in der Öffentlichkeit – ebenso wie das Fehlen von Aufmerksamkeit und die (Weiter-)Entwicklung entsprechender Perspektiven. Die fragliche Artikulation, Aushandlung und Anerkennung der Opfer wird dabei anhand ausgewählter rechtsterroristischer Phänomene (Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, NSU, Hanau) diskursanalytisch erforscht.
Kurzbiographie
Yassir Jakani studierte Geschichtswissenschaft, Germanistik und Bildungswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Bereits frühzeitig interessierte er sich für forschungsübergreifende Studien – insbesondere im Bereich der Extremismus- und Terrorismusforschung. In seiner Bachelorarbeit erforschte er die strukturelle und ideologische Genese der islamistischen Muslimbruderschaft. In seiner Masterarbeit untersuchte er die historischen Perspektiven eines transnationalen Extremismus in Deutschland am Beispiel der extremistischen Ülkücü-Bewegung („Graue Wölfe“). Hierbei beschäftigte er sich auch mit den Notwendigkeiten und Potenzialen einer adäquaten Extremismusprävention in der postmigrantischen Gesellschaft.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Extremismus-, Terrorismus-, Rassismus- und Gewaltforschung, Rassismus- und Migrationsforschung sowie (historisch-)politische Bildung in der Migrationsgesellschaft.
Yassir Jakani, M.Ed. yassir.jakani@rub.de
Repräsentationen staatlicher Gewalt in Syrien: Das Leben in der (biografischen) Schwebe als gesamtgesellschaftliche Konsequenz staatlicher Gewalt während der Assad-Diktatur
Wie gewalttätige Ereignisse definiert, beschrieben und wiedererzählt werden hat Konsequenzen dafür, wie Betroffene mit den Auswirkungen jener Ereignisse umgehen (können) – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Der Fokus dieses Dissertationsprojekts liegt daher auf den verschiedensten Repräsentationen der staatlichen Gewalt in Syrien während der Assad-Diktatur (insbesondere seit dem Jahr 2011) sowie auf deren Auswirkungen für die syrische Bevölkerung. Sie umfasst im Kern drei aufeinander aufbauende Teile. (1) Die Exploration der vorherrschenden Narrative über die staatliche Gewalt in Syrien und ihre Implikationen, (2) das Leben der syrischen Bevölkerung in einem (biografischen) Schwebezustand als Konsequenz der spezifischen staatlichen Gewalt und (3) verschiedenste (öffentliche und private) Umgangsformen mit diesem Schwebezustand.
Das Projekt verfolgt eine kulturpsychologische Perspektive und bezieht sich auf vielfältige Arten qualitativer Daten, die in Zusammenarbeit mit Syrer*innen im europäischen Exil erhoben wurden.
Kurzbiographie
Verena Muckermann studierte "Kultur, Individuum und Gesellschaft" und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und beschäftigte sich in ihrer empirischen Bachelorarbeit unter anderem mit der Frage nach psychosozialen Spätfolgen des südafrikanischen Apartheid-Systems mit besonderem Fokus auf nachfolgende Generationen.
Für ihr Masterstudium zog es sie an die VU Amsterdam, wo sie den M.Sc. „International Crimes Conflict and Criminology“ (cum laude) absolvierte. Ihre Abschlussarbeit, die mit dem Gert-Sommer-Preis 2022 des Forums Friedenspsychologie e.V. ausgezeichnet wurde und die Basis für ihr derzeitiges Promotionsprojekt bildet, fragt nach den Bedürfnissen und Gerechtigkeitskonzepten in Deutschland lebender syrischer Überlebender internationaler Verbrechen. In parallelen und darauffolgenden Zusatzstudien im Studienprogramm Kultur und Person der RUB konzentrierte Verena Muckermann sich vor allem auf kollektive Gewaltpraktiken in Ruanda und Syrien und die intergenerationale Weitergabe von Gewalterfahrungen am Beispiel der Region Dersim in der Türkei.
Neben dem Studium arbeitete sie am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) und am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie der Ruhr-Universität Bochum, am Lehrstuhl Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit der TU Darmstadt (PEASEC) sowie am Center for International Criminal Justice (CICJ) der VU Amsterdam. Bis heute ist sie Fellow am Amsterdam Laboratory for Legal Psychology (ALLP), an dem sie das Forschungsprojekt des CICJ zur Rolle von Kultur in Zeug*Innenaussagen vor internationalen Straftribunalen weiter begleitet.
Seit Februar 2023 ist Verena Muckermann wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie der RUB, wo sie insbesondere für das BMBF-Verbundprojekt „Netzwerk Lokale Konflikte und Emotionen in Urbanen Räumen: Transdisziplinäre Konfliktforschung in Wissenschaft-Praxis-Kooperationen“ (LoKoNet) tätig ist. In ihrer Freizeit engagiert Verena Muckermann sich ehrenamtlich als Fußballtrainerin der Juniorinnen Westfalenauswahl und ist in der Vereinsberatung sowie Aus- und Fortbildung von Trainer*innen und Referent*innen für das Thema Wertebildung im Jugendfußball aktiv.
Verena Muckermann, M.Sc. verena.muckermann@rub.de
Sexuelle und sexualisierte Gewalt gegen weibliche Häftlinge in NS-Konzentrationslagern. Eine Untersuchung psychosozialer Spätfolgen vor dem Hintergrund anhaltender Stigmatisierungen und versagter Anerkennung
Sexuelle und sexualisierte Gewalt in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern wurde bis in die 1970er, auch in wissenschaftlichen Arbeiten, weithin zur Randbemerkung abqualifiziert. Auch das Geschlecht und die geschlechtsspezifischen Erfahrungen der Verfolgten wurden vernachlässigt. Bis heute sind die verschiedenen vom NS-Regime betriebenen Bordelle unzureichend erforscht. Ebenso spielen die sexuellen und sexualisierten Gewalterfahrungen in der Erinnerungsarbeit kaum eine Rolle. Das Forschungsvorhaben nimmt das beschriebene Spannungsfeld zwischen der geschehenen exzessiven Gewalt, dem Verschweigen bzw. Verleugnen dieser und ihrer persönlichen Aufarbeitung in den Blick. Um die beschriebene Dethematisierung erklären zu können, sollen sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Prozesse bedacht werden, die mithilfe psycho- und sozioanalytischer Perspektiven untersucht werden.
Kurzbiographie
Kira Rudolph schloss sowohl ihren B.A. in Sozialwissenschaften als auch ihren M.A. im Studienprogramm „Kultur und Person“ mit Auszeichnung an der Ruhr-Universität Bochum ab. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich bereits mit den Folgen sexueller und sexualisierter Gewalt gegen jüdische Frauen in der Shoah.
Während ihres Studiums wurde sie im Rahmen des Deutschlandstipendiums von der Köhler-Stiftung gefördert. Im Hans-Kilian-Studierendenkolleg organisierte sie in Zusammenarbeit mit ihren Mitstipendiat*innen Veranstaltungen zu den beiden Themenschwerpunkten Verschwörungstheorien und kollektive Gewalt. Während des Studiums arbeitete sie außerdem als studentische Hilfskraft im Tutorienprogramm der sozialwissenschaftlichen Fakultät und als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie.
Seit 2022 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für „Sozialtheorie und Sozialpsychologie“ tätig. Zusammen mit Prof. Dr. Jürgen Straub leitete sie regelmäßig Seminare zum Thema „Inter-/ Transkulturalität und interkulturelle Kompetenz“. Ihre Forschungs- und Interessensschwerpunkte liegen in den Bereichen Sozial- und Kulturpsychologie, Gewaltforschung, Antisemitismusforschung, Gender Studies und interkulturelle Kommunikation und Kompetenz.
Kira Rudolph, M.A. kira.rudolph@rub.de
Entscheidungsmacht in der Integrationspolitik: Eine Analyse des Verwaltungshandelns und individuellen Ermessensspielraums
Paul R. Schreibers Promotionsprojekt wird von Herrn Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani und Herrn Dr. Phil Langer betreut. Es konzentriert sich auf das Spannungsfeld zwischen Verwaltungshandeln und individuellem Ermessensspielraum in der Implementierung von Integrationspolitik. Die Forschung beleuchtet die oft vernachlässigten administrativen Feinheiten, die der Umsetzung dieser Politiken zugrunde liegen, mit einem besonderen Fokus auf die Entscheidungsfindungsprozesse und die Autorität des individuellen Verwaltungspersonals. Vor dem Hintergrund der erneuten Migrationsdebaten in (zentral-)europäischen Gesellschaften ist diese Arbeit besonders relevant. Schreiber zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und Dynamiken in der Integrationspolitik zu schaffen und damit einen wichtigen Beitrag zur sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung zu leisten. Das Dissertationsvorhaben kann disziplinär der Soziologie zugeordnet werden. Darüber hinaus werden konkrete Bezüge zur Verwaltungssoziologie und -psychologie sowie der kritischen Stadt- und der reflexiven Migrationsforschung hergestellt. Ergänzend integriert das Projekt Elemente der Verwaltungswissenschaft und Sozialpsychologie, um die Komplexität von Entscheidungsprozessen und Machtstrukturen in der Verwaltung zu erfassen und trägt somit zu einem interdisziplinären Diskurs bei, der politische, soziologische und psychologische Perspektiven vereint.
Kurzbiographie
Paul R. Schreibers Forschung ist in der Soziologie verankert, mit Schwerpunkten in der Verwaltungssoziologie, -psychologie, reflexiven Migrationsforschung und kritischen Stadtforschung. In seinem Dissertationsprojekt fokussiert er sich auf die Implementierung von Integrationspolitik, insbesondere die Entscheidungsprozesse und Autorität der Street-level Bureaucrats. Zusätzlich verfügt Schreiber über Expertise in den Bereichen soziale (Des-)Integration, soziale Ungleichheit und Anerkennung.
Er erlangte seinen Bachelor of Arts in Soziologie und Philosophie an der Universität Tübingen, gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung und schloss seine Bachelorarbeit über „Anerkennung im Spiegel des Nationalen Integrationsplans“, betreut von Prof. Dr. Boris Nieswand, mit Auszeichnung ab. Für seinen Master wechselte Schreiber an die Universität Wien, Österreich, wo er seinen Master of Arts in Soziologie ebenfalls mit Auszeichnung und Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung absolvierte. Seine Masterarbeit „Zur Systematisierung der Integration - Anerkennung in der Integrationspraxis der Berliner Senatsverwaltung“, betreut von Prof. Dr. Yuri Kazepov, erhielt die Bestnote. Nach seinem Masterstudium wurde ihm das Leistungsstipendium der Universität Wien für seine herausragenden akademischen Leistungen verliehen.
Beruflich war Schreiber während seines Bachelorstudiums als studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Boris Nieswand an der Universität Tübingen tätig. Während seines Masterstudiums arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Prae-Doc) am Institut für Soziologie der Universität Wien unter Prof. Dr. Yuri Kazepov. Hier koordinierte er maßgeblich die von ihm und Frau Prof. Dr. Ayse Caglar geleitete Forschungsplattform „The Challenge Of Urban Futures“ im Bereich der interdisziplinären Stadtforschung.
Schreibers Fähigkeiten umfassen die Organisation und Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen und Konferenzen. Er ist erfahren in quantitativen und qualitativen Forschungsdesigns, in der Durchführung und Analyse von Interviews und hat eine solide Basis in der universitären Lehre.
Fließend in Deutsch und Englisch, ist Schreibers akademische Laufbahn geprägt von internationaler Zusammenarbeit, sichtbar in seiner Beteiligung und Organisation verschiedener Konferenzen und Seminare sowie längeren Auslandsaufenthalten, unter anderem einem Erasmus+ Praktikum an der Panteion-Universität in Athen bei Prof. Dr. Nikos Kourachanis. Seit 2023 ist er Koordinator des Forschungskolloquiums „Undisciplined Knowledge at the University of Tübingen“ und Mitglied des Standing Commitee „Reflexivities in Migration Studies“
Paul Robert Schreiber, M.A. paul.schreiber@ipu-berlin.de
Unbewusste Tatmotive und latente Konfliktdynamiken verurteilter Sexualstraftäter: Zur bidirektionalen Wirkung von Traumata am Gegenstand der sexuellen Grenzverletzung
Im Jahr 2023 gab es in Deutschland über 19.000 Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Ein Großteil der Übergriffe wird durch Männer begangen, die Betroffenen sind überwiegend Frauen. Sexuelle Grenzverletzungen haben oft traumatischen Charakter und richten individuell wie gesellschaftlich verheerenden Schaden an. Die Verhinderung sexueller Grenzverletzungen stellt somit eine dringende gesellschaftliche Aufgabe dar.
Als Taten, die immer auch vor dem individuellen lebensgeschichtlichen Hintergrund der Täter zu betrachten sind, sollen unbewusste Tatmotive und latente Konfliktdynamiken sexueller Grenzverletzungen als Basis einer nachhaltigen Prävention und therapeutischen Bearbeitung in ihrer Tiefenstruktur verstanden werden.
Ein besonderes Schlaglicht wirft diese Arbeit auf das Trauma, das hier in einem doppelten Sinne als Zentrum einer sexuellen Grenzverletzung konzeptualisiert wird. So geht dem Trauma, das jene erleiden, die von einer sexuellen Grenzverletzung betroffen sind, kehrseitig nicht selten eine Traumatisierung auf der Seite jener, die die sexuelle Grenzverletzung begehen, voraus.
Diese Doppelbödigkeit des Traumas wird im Rahmen der Arbeit untersucht: Die Durchschlagskraft eines Traumas wird als eine bidirektionale verstanden und das Trauma am Gegenstand der sexuellen Grenzverletzung in seiner Gleichzeitigkeit von (potenzieller) Ursache und Wirkung untersucht.
Präventive und therapeutische Interventionen brauchen auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene eine gelingende Aushandlung (innerer) Konflikte. Die Artikulation erfahrener und begangener Gewalt als Basis einer solchen Aushandlung geht notwendigerweise auf eine Anerkennung dieser Gewalt zurück. Vor dem Hintergrund der traumatischen Wirkung von Gewalt, als etwas, das nicht integrierbar und nicht verbalisierbar ist, stellt dies eine besondere Herausforderung dar.
Der Frage, in welcher Art und Weise die Bidirektionalität des Traumas, als Erlittenes und Zugefügtes, anerkannt,artikuliert und ausgehandelt wird, soll anhand narrationsanalytischer und tiefenhermeneutischer Untersuchungen biografisch-narrativer Interviews mit verurteilten Sexualstraftätern nachgegangen werden.
Kurzbiographie
Anna Schmidtke studierte Psychologie an der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Anschließend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Internationalen Psychoanalytischen Universität in verschiedenen Psychotherapieforschungsprojekten tätig. Gegenwärtig absolviert sie die Ausbildung zur Psychoanalytikerin und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin. Ihre Forschungsschwerpunkte bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Psychoanalyse, Gewalt-, Trauma- und Sexualforschung.
Anna Schmidtke, M.Sc., anna.schmidtke@ipu-berlin.de
Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen unter der Aktualität des 07. Oktobers 2023 – eine sozialpsychologische und psychoanalytische Untersuchung
Das Promotionsprojekt möchte sich die Entwicklungen und Veränderungen in der deutschen Gesellschaft mit dem Bezugspunkt des 07. Oktobers 2023 anschauen. Anhand von biographischen Einzelinterviews, die mit einem tiefenhermeneutischen und sozialisationstheoretischen Ansatz ausgewertet werden, soll das Thema aus sozialpsychologischer und psychoanalytischer Perspektive verhandelt werden.
Kurzbiographie
Doreen Zeymer-von Metnitz hat ihren Bachelor sowie Master in Psychologie an der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin absolviert. Parallel dazu erlangte sie den Master in Interdisziplinärer Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Während ihres Studiums wurde sie durch ein Deutschlandstipendium gefördert und arbeitete als studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Benigna Gerisch. Sie engagierte sich in verschiedenen Bereichen, unter anderem durch ehrenamtliche Arbeit in der Geflüchtetenhilfe und die Organisation einer Projektwoche zur deutschen Erinnerungskultur. Des Weiteren war sie im Zentrum für Kriegs- und Folterüberlebende Hemayat in Wien tätig und absolvierte ein Forschungspraktikum am Sigmund-Freud-Institut. Nach Abschluss ihres Studiums begann sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Projekten an der IPU Berlin zu arbeiten und begann ihre Ausbildung zur Psychoanalytikerin und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin am Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in verschiedenen Bereichen der psychoanalytischen Sozialforschung.
Doreen Zeymer-von Metnitz, M.A. doreen.zeymer@ipu-berlin.de
Über uns
Sprecher und Koordination
1. Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Dr. Jürgen Straub
2. Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Dr. Phil C. Langer
Koordination und Habilitation, Dr. Ines Gottschalk
Trägerschaft
Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der IPU
Prof. Dr. Birgit Stürmer, Vizepräsidentin der IPU
Dr. Pradeep Chakkarath, Co-Direktor KKC
Prof. Dr. Jürgen Straub, Co-Direktor KKC
Betreuende
Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani
Prof. Dr. Benigna Gerisch
PD. Dr. Christian Gudehus
Prof. Dr. Phil C. Langer
Prof. Dr. Katja Sabisch
Prof. Dr. Jürgen Straub
Weitere assoziierte Wissenschaftler*innen
Dr. Pradeep Chakkarath
Prof. Dr. Iris Därmann
Prof. Dr. Andreas Hamburger
Prof. Dr. Lutz Wittmann
Satzung
Kontakt
Graduiertenkolleg (GraKo) IPU-KKC "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung"
Ines Gottschalk
Koordinatorin des IPU-KKC-Graduiertenkollegs "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung"
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sozialwissenschaft
Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie
Universitätsstraße 150
Gebäude GD E1 229
D- 44801 Bochum
E-Mail: ines.gottschalk@rub.de