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Über das Graduiertenkolleg

Das IPU-KKC-Graduiertenkolleg "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung" verfolgt Forschungsprojekte an der Schnittstelle von Psychoanalyse und Kulturpsychologie und verbindet damit psychoanalytische, psychologische, kultur- und gesellschaftsanalytische Perspektiven am Beispiel der interdisziplinären Traumaforschung.

Deren Themen und Anlässe sind vielfältig. Sie reichen von der Klimakrise über Migrationsprozesse und zunehmende gesellschaftliche Polarisierungen bis zu mannigfachen Kontexten von Krieg und anderen Formen von Gewalt. Charakteristisch für die im Kolleg eingenommene Perspektive ist die Integration von subjekt-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen.

So werden in den Promotionsprojekten nicht nur Themen aus der Psychoanalyse und Kulturpsychologie bearbeitet, sondern auch Befunde aus Philosophie, Soziologie, Ethnologie, Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaften, Cultural-, Religious-, Gender- oder Postcolonial-Studies sowie der kritischen Migrations- und Rassismusforschung. Expertisen aus der Klinischen Psychologie und Psychotraumatologie ergänzen dieses Spektrum.

Die bewährte Kooperation zwischen IPU und KKC bietet einen exzellenten Rahmen für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Beide Einrichtungen übernehmen die Betreuung von je drei Promovierenden. Ein interdisziplinäres Veranstaltungsprogramm in verschiedenen Arbeitsformaten bietet die Möglichkeit zum wissenschaftlichen Austausch und zur Präsentation bzw. Diskussion eigener Forschungsergebnisse. Die Arbeit im Kolleg wird von Ines Gottschalk koordiniert.

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Drei konstituierende Perspektiven für das Graduiertenkolleg

Nahezu alle Gesellschaften sind durch „historische Verletzungsverhältnisse“ geprägt, in denen sich vielfältige Folgen unterschiedlicher Formen bisweilen auch exzessiver kollektiver Gewalt beobachten lassen. Auf dem Weg intergenerationaler Übertragungen können auch traumatische Erfahrungen ein integraler Bestandteil psychischer Wirklichkeiten und sozialer Praxen bleiben, ohne dass dies den beteiligten Menschen gänzlich bewusst sein müsste. Dies gilt für die Nachkommen aller betroffenen Personen, unabhängig davon, ob sie Gewalt ausgeübt, erlitten oder ihr beigewohnt haben. In jüngerer Zeit zeichnet sich in der multi- und interdisziplinären Forschung, aber auch in einschlägigen politischen Diskursen über die Auswirkungen kollektiver Gewalt ein Konsens ab, der die große Bedeutung der öffentlichen Artikulation erlittener Verletzungen und ihrer Anerkennung durch die Gruppen der Täter und Zuschauer sowie ihrer Nachkommen hervorhebt. Die Bezeugung von Ungerechtigkeit, Gewalt und Leid sind wichtige Bestandteile ihrer politischen Aufarbeitung und psychosozialen Verarbeitung. Das Graduiertenkolleg stellt sich die Aufgabe, die besonderen Lagen und Herausforderungen in solchen gesellschaftlichen Figurationen zu erforschen und dabei psychologische und soziologische, psycho- und sozioanalytische Perspektiven ins Zentrum zu rücken, aber auch andere disziplinäre Blickwinkel – etwa ethisch-moralische, politische, mediale oder rechtliche – zu berücksichtigen.

In historischen und in soziokultureller Hinsicht bisweilen auch spezifischen Verletzungsverhältnissen zu leben und leben zu müssen hat Folgen für die Verständigung zwischen Angehörigen von gesellschaftskonstituierenden Gruppen, die eine möglichst allseits erträgliche Form der friedfertigen Koexistenz finden sollten. Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Thematik und ihres Potentials für sowohl grundlagentheoretische wie auch anwendungsorientierte Beiträge zeichnet sich seit längerem ab. Jessica Benjamins Theorie der intersubjektiven Anerkennung und so verschiedenartige Arbeiten wie jene von Paul Ricœur, Burkhard Liebsch, Dan Bar-On oder Pumla Gobodo-Madikizela stellen dafür facettenreiche Exempel dar. Die öffentliche Aussprache über die mit starken Affekten und Emotionen verbundenen Gewalterfahrungen kann heute als eine unabdingbare Voraussetzung für die Annäherung und das zerbrechlich bleibende Auskommen zwischen ehemals verfeindeten, jedenfalls in Gewaltpraktiken verstrickte Gruppen angesehen werden. Diese Voraussetzung ist allerdings schwer zu erreichen. Gerade in sozial- und kulturpsychologischer sowie psychoanalytischer Perspektive wird deutlich, auf wie viele Hürden die verständigungsorientierte Kommunikation im genannten Feld stoßen kann. Dazu gehören, neben den anhaltenden Leiden der versehrten, in ihrem Erlebnis- und Handlungspotential erheblich beeinträchtigten Subjekte, insbesondere Schuld- und Schamgefühle oder auch moralische Anklagen und Verurteilungen, die es allen Beteiligten schwermachen können, in einen produktiven Dialog zu gelangen. Auch politische Positionen und Bedingungen müssen diesbezüglich berücksichtigt werden. Bis heute sind öffentliche Eingeständnisse kollektiver Gewalt und zugefügten Leids nicht überall erwünscht. Die damit einhergehenden Aushandlungen sind konstitutiv für spätmoderne Gesellschaften. Ohne sie ist auch der im Graduiertenkolleg interessierende Dialog erheblich erschwert, mitunter unmöglich.

In konstruktiven Gesprächen, in denen die Beteiligten aufeinander zugehen und einander zu verstehen versuchen, auf Seiten der Täter und Zuschauer vielleicht sogar um Vergebung bitten, sind die Bezeugung der Vergangenheit und die Anerkennung des zugefügten und erlittenen Leids oberstes Gebot. Ohne entsprechende Bemühungen um Verständigung und irgendeine Form, wenn schon nicht der Verzeihung und Versöhnung, so doch der empathischen Annäherung an die Anderen ist ein friedliches, zugewandtes Zusammenleben zwischen den anhaltend konfliktträchtigen Gruppen langfristig kaum vorstellbar. In solchen Fällen unterlassener Verständigung ist vielmehr die unterschwellige Fortsetzung und manifeste Wiederbelebung historischer Verletzungsverhältnisse zu erwarten, einschließlich der erneuten Eskalation sozio-politischer Konflikte zwischen Gruppen jedweder Provenienz und Größenordnung.

Ohne öffentliche, nicht zuletzt ohne eine geschichtenförmige, narrative Artikulation erlittener (physischer, psychischer und symbolischer) Verletzungen sowie deren Anerkennung durch die ehemaligen Täter:innen und Zuschauer:innen und ihre Nachkommen laufen Gesellschaften und Gemeinschaften stets Gefahr, historische Verletzungsverhältnisse in transformierter Gestalt zu reproduzieren, noch Jahrzehnte und Jahrhunderte nach den initialen Geschehnissen im Rahmen einer Geschichte exzessiver kollektiver Gewalt. Diese Geschichte sollte in politischen Kulturen, die in der Bezeugung und Anerkennung von langfristig verletzten, womöglich nachhaltig beschädigten Menschen einen hohen moralischen Wert erkennen, das kommunikative und kulturelle Gedächtnis aller relevanten Gruppen prägen. Das Risiko sich performativ fortsetzender Verletzungsverhältnisse und die Gefahr erneuter Gewaltexzesse zwischen ehemals verfeindeten Gruppen kann als anhaltender und struktureller Bestandteil zahlreicher Gesellschaften des 21. Jahrhunderts gelten. Solche Risiken und Gefahren lassen sich nicht zuletzt in allen europäischen Einwanderungsgesellschaften beobachten. Sie sind ausnahmslos durch Geschichten exzessiver Gewalt und die damit verwobenen, nicht vergangenen Vergangenheiten gekennzeichnet. Auch soziale Traumata gehören zum seelischen Fundament dieser Gesellschaften, deren Praxis zutiefst von zugefügten und erlittenen Verletzungen mitbestimmt sein kann – einerlei, ob die Menschen das nun stets bemerken, bewusst bedenken und berücksichtigen oder nicht.

Für die Linderung des vielfältigen Leids unterschiedlich betroffener Subjekte spielen nicht nur die soziale Unterstützung und im Bedarfsfall die therapeutische Behandlung, sondern auch die öffentliche Artikulation, die gewissenhafte Bezeugung und intersubjektive Anerkennung der erlittenen Gewalt und speziell der posttraumatischen Belastungen eine überaus wichtige Rolle. Ohne Möglichkeiten der bestätigenden Kommunikation über die erlittenen Versehrungen und ihre Folgen wird den Opfern kollektiver Gewalt erneut und fortgesetzt Unrecht zugefügt. Dies zu vermeiden, ist eine soziale und politische Aufgabe ersten Ranges. Zu ihrer Erfüllung können auch die Wissenschaften einen Beitrag leisten. Ihre im Forschungsdialog mit den betroffenen Menschen gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die kognitiv und vor allem emotional herausfordernde Verständigung in Gesellschaften, in denen Spuren von Gewalt alltäglich sind und die Interaktionen zwischen Gruppen oder Individuen nachhaltig bestimmen können. Dies gilt unter anderem für Gesellschaften, in denen Verteilungskämpfe um materielle und psychische Resourcen zu wachsenden Spannungen und Konflikten führen; es gilt für intergenerationale Konflikte wie sich aktuell unter anderem in der Klimadebatte zeigen; für verschiedenste Formen und partiell etablierte Strukturen von Diskriminierung; so auch für postmigrantische Einwanderungsgesellschaften, in denen nicht nur kulturelle Unterschiede, sondern auch oftmals unabgeschlossene Geschichten zugefügter und erlittener Gewalt besondere Herausforderungen für wechselseitige Toleranz und eine friedliche Koexistenzdarstellen.

Vergessen, Verschweigen, Verleugnen, Verstecken, Verdrängen und verwandte Weisen des Ungeschehenmachens oder Ignorierens stellen in historischen Verletzungsverhältnissen keine annehmbare Option dar – jedenfalls dann nicht, wenn das friedfertige Zusammenleben heterogener Gemeinschaften und Gruppen angestrebt wird. Die offene Aussprache und die an Kriterien der Wahrhaftigkeit und Wahrheit orientierte Aushandlung strittiger Aspekte der Vergangenheit und Gegenwart sind notwendige Bedingungen einer Befriedung des Zusammenlebens ehemaliger Gegner oder verfeindeter Gruppen.

Die Institutionen

Internationale Psychoanalytische Universität Berlin

Hans Kilian und Lotte Köhler Centrum

Aktuelles

Eröffnung des Graduiertenkollegs

Am 28. Januar 2023 um 17:00 Uhr eröffneten die Internationale Psychoanalytische Universität Berlin (IPU) und das Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie (KKC) der Ruhr-Universität Bochum ein gemeinsames Graduiertenkolleg. Finanziert wird es von der Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse und der Köhler-Stiftung. Institutionalisierte kooperative Graduiertenförderung von staatlichen und nicht-staatlichen Hochschulen ist in Deutschland eine Seltenheit.

Das wissenschaftliche Rahmenthema des Kollegs, in dem sechs junge Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler promovieren werden, lautet
Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung.

Nachdem die Veranstaltung von IPU-Präsident Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, dem Co-Direktor des KKC, Dr. Pradeep Chakkarath und dem ersten Sprecher des Kollegs, Prof. Dr. Jürgen Straub (KKC) eröffnet wurde, sprach der Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani (Universität Osnabrück) zum Thema "Zwischen Diskriminierung und Anerkennung: Potentiale und Herausforderungen in der superdiversen (Klassen-)Gesellschaft".

Anschließend diskutierte er mit den Promovierenden unter Moderation des zweiten Sprechers des Kollegs, Prof. Dr. Andreas Hamburger (IPU) im Panel. Der Abend klang mit einem Büfett aus.

Projekte

Narrative Rupturen
Das Forschungsprojekt untersucht die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf das Erzählen von Lebensgeschichten. Ziel ist die Erarbeitung eines theoretischen Modells zum besseren Verständnis der Vorbedingungen posttraumatischer Sprachrekonstruktion, also der schrittweisen Einwebung disruptiven Geschehens in eine kohärente Lebenserzählung. Die Untersuchung basiert auf psychoanalytischen Interviews sowie auf Film- und Literaturanalysen.

Kurzbiographie
Simon Böhm studierte Philosophie, Psychologie, Klinische Neuropsychologie und Psychoanalyse an der Hochschule für Philosophie München, der LMU München und der Goethe-Universität Frankfurt. Währenddessen war er freiberuflich tätig als Reporter, Redakteur und Referent, unter anderem bei den Münchner Kammerspielen, sowie als wissenschaftliche Hilfskraft, zuletzt im Beziehungs- und Familienpanel »pairfam« in München. Zudem absolvierte er eine studienbegleitende Ausbildung bei der Bayerischen EliteAkademie. Seit 2023 ist er Stipendiat im Graduiertenkolleg »Traumata und Kollektive Gewalt« an der IPU Berlin und dem KKC Bochum.

Simon Böhm, M.A. simon.boehm@ipu-berlin.de

Kontinuitäten und Brüche in der Artikulation, Aushandlung und Anerkennung rechtsterroristischer Gewalt in Deutschland. Eine zeithistorische Studie.
Die bislang unzureichende Historisierung des rechtsextremistischen Terrors in Deutschland begünstigte Betrachtungen, die rechtsterroristische Phänomene der Gegenwartsgesellschaft ausschließlich als isolierte Entitäten behandeln. Die Dissertation adressiert dieses Forschungsdesiderat und setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern rechtsterroristische Gewalt in Deutschland historisch aufgearbeitet, aber auch erlebt, erfahren und erinnert wurde/wird. In Bezug auf die öffentliche Artikulation, Aushandlung und Anerkennung des rechtsextremistischen Terrors in Deutschland werden potenzielle Kontinuitäten und Brüche untersucht, um einen möglichen Wandel im diskursiven Umgang mit rechtsterroristischer Gewalt sowie den damit verbundenen Traumata zu eruieren. Die Dissertation fokussiert demgemäß die (historische) Präsenz der Opfer rechtsterroristischer Gewalt in der Öffentlichkeit – ebenso wie das Fehlen von Aufmerksamkeit und die (Weiter-)Entwicklung entsprechender Perspektiven. Die fragliche Artikulation, Aushandlung und Anerkennung der Opfer wird dabei anhand ausgewählter rechtsterroristischer Phänomene (Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, NSU, Hanau) diskursanalytisch erforscht.

Kurzbiographie
Yassir Jakani studierte Geschichtswissenschaft, Germanistik und Bildungswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Bereits frühzeitig interessierte er sich für forschungsübergreifende Studien – insbesondere im Bereich der Extremismusforschung. In seiner Bachelorarbeit erforschte er die strukturelle und ideologische Genese der islamistischen Muslimbruderschaft. In seiner Masterarbeit untersuchte er die historischen Perspektiven eines transnationalen Extremismus in Deutschland am Beispiel der extremistischen Ülkücü-Bewegung („Graue Wölfe“). Hierbei beschäftigte er sich auch mit den Notwendigkeiten und Potenzialen einer adäquaten Extremismusprävention in der postmigrantischen Gesellschaft.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Extremismus-, Rassismus- und Gewaltforschung, Migrationsforschung sowie (historisch-)politische Bildung in der Migrationsgesellschaft.

Yassir Jakani, M.Ed. yassir.jakani@rub.de

(Un-)Möglichkeit(en) der Artikulation, Aushandlung und Anerkennung von Gewalterfahrungen Geflüchteter im Rahmen massiver staatlicher Gewalt in Syrien
Angesichts langanhaltender bewaffneter Konflikte wie in Syrien fokussiert diese Dissertation eine neue Akteursgruppe im Forschungsfeld der Transitional Justice: international Geflüchtete. So befinden sich Syrer:innen im Exil in einer komplexen Position zwischen individuellen Herausforderungen des Zurechtfindens in der deutschen Ankunftsgesellschaft, der Be- und Verarbeitung (vergangenen) individuellen Leids sowie der andauernden Sorge um Familienangehörige oder Freund:innen, die gegenwärtig wie zukünftig Gewalterfahrungen in Syrien ausgesetzt bleiben. Das Promotionsprojekt intendiert die Beantwortung der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Artikulation, Aushandlung und Anerkennung ihrer vergangenen individuellen wie andauernden kollektiven Gewalterfahrungen. Es nimmt eine kulturpsychologische Perspektive ein und bezieht sich auf vielfältige Arten qualitativer Daten.

Kurzbiographie
Verena Muckermann studierte "Kultur, Individuum und Gesellschaft" und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und beschäftigte sich in ihrer empirischen Bachelorarbeit unter anderem mit der Frage nach psychosozialen Spätfolgen des südafrikanischen Apartheid-Systems mit besonderem Fokus auf nachfolgende Generationen.

Für ihr Masterstudium zog es sie an die VU Amsterdam, wo sie den M.Sc. „International Crimes Conflict and Criminology“ (cum laude) absolvierte. Ihre Abschlussarbeit, die mit dem Gert-Sommer-Preis 2022 des Forums Friedenspsychologie e.V. ausgezeichnet wurde und die Basis für ihr derzeitiges Promotionsprojekt bildet, fragt nach den Bedürfnissen und Gerechtigkeitskonzepten in Deutschland lebender syrischer Überlebender internationaler Verbrechen. In parallelen und darauffolgenden Zusatzstudien im Studienprogramm Kultur und Person der RUB konzentrierte Verena Muckermann sich vor allem auf kollektive Gewaltpraktiken in Ruanda und Syrien und die intergenerationale Weitergabe von Gewalterfahrungen am Beispiel der Region Dersim in der Türkei.

Neben dem Studium arbeitete sie am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) und am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie der Ruhr-Universität Bochum, am Lehrstuhl Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit der TU Darmstadt (PEASEC) sowie am Center for International Criminal Justice (CICJ) der VU Amsterdam. Bis heute ist sie Fellow am Amsterdam Laboratory for Legal Psychology (ALLP), an dem sie das Forschungsprojekt des CICJ zur Rolle von Kultur in Zeug*Innenaussagen vor internationalen Straftribunalen weiter begleitet.

Seit Februar 2023 ist Verena Muckermann wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie der RUB, wo sie insbesondere für das BMBF-Verbundprojekt „Netzwerk Lokale Konflikte und Emotionen in Urbanen Räumen: Transdisziplinäre Konfliktforschung in Wissenschaft-Praxis-Kooperationen“ (LoKoNet) tätig ist. In ihrer Freizeit engagiert Verena Muckermann sich ehrenamtlich als Fußballtrainerin der Juniorinnen Westfalenauswahl und ist in der Vereinsberatung sowie Aus- und Fortbildung von Trainer*innen und Referent*innen für das Thema Wertebildung im Jugendfußball aktiv.

Verena Muckermann, M.A. verena.muckermann@rub.de

Politische, kulturelle und psychosoziale Voraussetzungen für die Anerkennung erlittenen Leids kollektiver, kolonial-rassistischer Gewalt
Auch mit dem formalen Ende des Kolonialismus zeigen sich die gesellschaftlichen und ökonomischen Nachwirkungen bis heute in weitreichender Form. Noch immer existiert ein Manichäismus und Gewaltverhältnisse perpetuieren sich in sozialen, politischen und psychischen Dimensionen. Ausgehend von dem postkolonialen Vordenker Frantz Fanon, und insbesondere dessen dekolonialer Anerkennungstheorie, werden in dem Dissertationsprojekt die Voraussetzungen sowie Herausforderungen gelingender Anerkennungspraxen erforscht. Hierzu sollen exemplarisch kulturpolitische Bestrebungen um eine Aufarbeitung der Vergangenheit untersucht werden, wobei der Fokus auf historischer sowie gegenwärtiger Unbewusstheit im diskursiven Feld liegt. Methodisch wird eine dialektische Psychoanalyse angewendet, welche hinsichtlich ihres eigenen Erbes kritisch-reflexiv agiert.

Kurzbiographie
David Reincke studierte Psychologie mit klinischem Schwerpunkt an der Internationalen Psychoanalytischen Universität (IPU) Berlin. Neben der Promotion im Graduiertenkolleg ist er Ausbildungskandidat am Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse Berlin (BIPP). Sein Forschungsinteresse umfasst neben der Psychoanalyse im klinischen sowie außerklinischen Feld, gesellschaftskritische und kulturübergreifende Fragestellungen. Demnächst erscheint: „A Freudian Trip. Zum Verhältnis von Psychoanalyse und psychedelischer Erfahrung“ (psychosozial, 2023 i.E.).

David Reincke, M.A. david.reincke@ipu-berlin.de

Sexualisierte Gewalt gegen weibliche Häftlinge im Konzentrationslager. Eine Untersuchung psychosozialer Spätfolgen vor dem Hintergrund anhaltender Stigmatisierungen und versagter Anerkennung
Sexualisierte Gewalt in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern wurde bis in die 1970er, auch in wissenschaftlichen Arbeiten, weithin zur Randbemerkung abqualifiziert. Auch das Geschlecht und die geschlechtsspezifischen Erfahrungen der Verfolgten wurden vernachlässigt. Bis heute sind die verschiedenen vom NS-Regime betriebenen Bordelle unzureichend erforscht. Ebenso spielen die sexualisierten Gewalterfahrungen in der Erinnerungsarbeit kaum eine Rolle. Das Forschungsvorhaben nimmt das beschriebene Spannungsfeld zwischen der geschehenen exzessiven Gewalt, dem Verschweigen bzw. Verleugnen dieser und ihrer persönlichen Aufarbeitung in den Blick. Um die beschriebene Dethematisierung erklären zu können, sollen sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Prozesse bedacht werden, die mithilfe psycho- und sozioanalytischer Perspektiven untersucht werden.

Kurzbiographie
Kira Rudolph schloss sowohl ihren B.A. in Sozialwissenschaften als auch ihren M.A. im Studienprogramm „Kultur und Person“ mit Auszeichnung an der Ruhr-Universität Bochum ab. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich bereits mit den Folgen sexualisierter Gewalt gegen jüdische Frauen in der Shoah.

Während ihres Studiums wurde sie im Rahmen des Deutschlandstipendiums von der Köhler-Stiftung gefördert. Im Hans-Kilian-Studierendenkolleg organisierte sie in Zusammenarbeit mit ihren Mitstipendiat*innen Veranstaltungen zu den beiden Themenschwerpunkten Verschwörungstheorien und kollektive Gewalt. Während des Studiums arbeitete sie außerdem als studentische Hilfskraft im Tutorienprogramm der sozialwissenschaftlichen Fakultät und als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie.

Seit 2022 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für „Sozialtheorie und Sozialpsychologie“ tätig. Zusammen mit Prof. Dr. Jürgen Straub leitet sie regelmäßig Seminare zum Thema „Inter-/ Transkulturalität und interkulturelle Kompetenz“. Ihre Forschungs- und Interessensschwerpunkte liegen in den Bereichen Sozial- und Kulturpsychologie, Gewaltforschung, Antisemitismusforschung, Gender Studies und interkulturelle Kommunikation und Kompetenz.

Kira Rudolph, M.A. kira.rudolph@rub.de

Partizipation in der Postmigrantischen Gesellschaft im Lichte anerkennungstheoretischer Zugänge - Implikationen einer (neuen) partizipationsorientierten Integrationspraxis für Individuum und Gesellschaft
Das Promotionsprojekt verfolgt das Ziel, die Implikationen einer (neuen) partizipationsorientierten Integrationspraxis für Individuen und Gesellschaft zu untersuchen. Es soll aus einer zeitdiagnostischen Perspektive der begriffliche und konzeptuelle Wandel, weg von Integration und hin zu Partizipation untersucht werden. Die zugrunde liegenden Forschungsfragen lauten hierbei: Welche dialektischen Implikationen und Ambivalenzen zeigen sich in der partizipationsorientierten Integrationspraxis? Welche Spannungs- oder Konfliktfelder (oder Fantasien) lassen sich durch die Erforschung aufdecken? Dies soll mithilfe einer anerkennungstheoretischen Analyseperspektive erfolgen. Das Dissertationsvorhaben kann disziplinär der Urbanistik und dem Paradigma der kritischen Stadtforschung zugeordnet werden. Zudem werden konkrete Bezüge zur reflexiven Migrationsforschung und zur psychoanalytischen Geografie hergestellt.

Kurzbiographie
Paul R. Schreibers Forschung ist im Bereich der reflexiven Migrationssoziologie mit den Schwerpunkten sozialer (Des-)Integration, soziale Ungleichheit und Anerkennung zu verorten. In seiner Forschung hat er sich intensiv mit Integrationskonzepten aus anerkennungstheoretischer Perspektive auseinandergesetzt und dabei auf Desintegrationsansätze (vgl. Heitmeyer & Imbusch 2005) und Debatten zur postmigrantischen Gesellschaft (vgl. Foroutan 2019) zurückgegriffen.

Im Jahr 2022 hat er seinen Master of Arts (Soziologie) an der Universität Wien mit Auszeichnung abgeschlossen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herrn Prof. Dr. Yuri Kazepov war er hauptverantwortlich für die Koordination der von ihm und Frau Prof. Dr. Ayse Caglar geleiteten Forschungsplattform „The Challenge Of Urban Futures“, die sich im Feld der interdisziplinären Urbanistik verorten lässt.

Im Januar 2023 hat er sein Promotionsprojekt an der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen des Graduiertenprogramms der International Psychoanalytic University Berlin (IPU) und des Hans Kilian und Lotte Köhler Centrums (KKC) begonnen. Das Projekt wird sich auf anerkennungstheoretische Ansätze konzentrieren, um eine Analyse aktueller partizipationsorientierter Integrationspraxis in der postmigrantischen Gesellschaft zu präsentieren.

Paul Robert Schreiber, M.A. paul.schreiber@ipu-berlin.de

Kontakt

Graduiertenkolleg (GraKo) IPU-KKC "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung"

Ines Gottschalk
Koordinatorin des IPU-KKC-Graduiertenkollegs "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung"

Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sozialwissenschaft
Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie
Universitätsstraße 150
Gebäude GD E1 229
D- 44801 Bochum
E-Mail: Ines.gottschalk@rub.de